Chefs entlasten, die nicht delegieren können oder wollen

Einige Chefs tun sich schwer damit, Arbeiten abzugeben. Am liebsten würden sie alles allein machen. Selbst Dinge, für die Sie als Sekretärin besser qualifiziert wären, reißen sie an sich. Immer mal wieder gibt es Chefs, die ihre Reisen selbst buchen, ihre Sekretärin nicht den Posteingang kontrollieren und „bereinigen“ lassen, Termine selbst vereinbaren und ihre Präsentationen selbst erstellen.
 
Haben Sie auch so einen Chef, kann das frustrierend sein. Denn auf der einen Seite hat Ihr Chef sehr viel zu tun, auf der anderen Seite deckt er sich von morgens bis abends selbst mit Arbeit ein – und Sie müssen tatenlos zuschauen und können ihm nichts abnehmen. Und einige Chefs erledigen selbst so viel, dass für die Sekretärin nicht mehr viel übrig bleibt.
 
Beispiel:
Grit hat auch so einen Chef. Letzte Woche ist ihr dann der Geduldsfaden gerissen. Sie hat ihn darauf angesprochen und ihn gebeten, mehr an sie zu delegieren – dachte sie zumindest. So lief das Gespräch zwischen Grit und ihrem Chef ab:
 
Grit: „Herr Gärtner, ich wollte sie mal darauf ansprechen, ob ich nicht noch irgendwelche Arbeiten übernehmen kann.“
Jens Gärtner: „Wieso, sind Sie nicht ausgelastet?“
Grit: „Doch, doch. Eigentlich habe ich genug zu tun. Ich dachte nur, vielleicht kann ich Ihnen ja noch was abnehmen.“
Jens Gärtner: „Nee, das ist nicht nötig. Sonst noch was? Oder war‘s das?“
Grit: „Nee, das war’s.“
 
Grit ist sauer. Er will offensichtlich nicht delegieren. Liegt es daran, dass er ihr misstraut?
 
Das sagt das Sekretärinnen-Handbuch dazu: Grit hat ihr Gespräch nicht gut vorbereitet und war sehr unpräzise in ihren Formulierungen. Ihr Chef hat gar nicht verstanden, worauf Grit hinauswollte. Kein Wunder, dass sie nicht das erreicht hat, was sie wollte.
 

So hätte das Gespräch auch laufen können

 
Beispiel:
Grit: „Herr Gärtner, ich würde Sie gern noch mehr entlasten und habe mir ein paar Gedanken gemacht. Möchten Sie die hören?“
Jens Gärtner: „Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit unserer Zusammenarbeit.“
Grit: „Ja, das bin ich auch. Es gibt jedoch ein paar Bereiche, in denen ich Ihnen Arbeit abnehmen könnte, damit Sie sich noch mehr auf Ihre Führungsaufgaben konzentrieren können.“
Jens Gärtner: „Aha, da bin ich aber mal gespannt.“
 
Das sagt das Sekretärinnen-Handbuch dazu: Jetzt hat Grit präzise formuliert, ohne ihrem Chef auf die Füße zu treten. Sie hätte auch sagen können: „Sie delegieren kaum etwas an mich. Misstrauen Sie mir?“ Das hätte der Chef verstanden. Mögli-
cherweise hätte er sich dann aber angegriffen gefühlt.
 

Mangelnde Delegation hat wenig mit Misstrauen zu tun

 
Chefs, die sich mit dem Delegieren schwertun, haben in der Regel eher einen übersteigerten Kontrollzwang statt mangelndes Vertrauen in ihre Mitarbeiter. Nehmen Sie also so eine Eigenart Ihres Chefs nicht persönlich. Es hat nichts mit Ihnen zu tun, sondern ganz allein mit ihm, Ihrem Chef. Trotzdem macht er dies zu Ihrem Problem, weshalb Sie ja
auch etwas dagegen unternehmen sollten.
 

So geht das Gespräch zwischen Grit und ihrem Chef weiter

 

Beispiel:
Grit: „Es kommt schon einmal vor, dass Sie Ihre Reisen selbst planen oder Ihre Präsentationen selbst erstellen.“
Jens Gärtner: „Ja, das stimmt. Ich weiß, was ich will, und dann geht das so am schnellsten.“
Grit: „Ja, das ist der große Vorteil, dass Sie das, was Sie im Kopf haben, direkt umsetzen können. Auf der anderen Seite sind dies Aufgaben, die ich Ihnen abnehmen könnte und auch gerne würde. Zumal die Reiseorganisation und das Erstellen von Präsentationen sehr zeitintensiv sind.“
Jens Gärtner: „Ja, das stimmt wohl, zeitintensiv ist es.“
Grit: „Was halten Sie davon, wenn ich Ihre nächste Präsentation nach ein paar Stichworten erstelle? Ich würde mich sehr freuen, Ihnen das abnehmen zu können. Außerdem möchte ich Ihnen beweisen, dass ich das kann.“
Jens Gärtner: „Hm, ich weiß nicht. Meinen Sie?“
Grit: „Ja ganz sicher. Lassen Sie mich das bitte beim nächsten Mal machen.“
Jens Gärtner: „Na, wir können das ja mal versuchen.“

Das sagt das Sekretärinnen-Handbuch dazu: Haben Sie gemerkt, dass Grit ihrem Chef nicht widerspricht? Ganz im Gegenteil, sie bestätigt ihn in seinen Ansichten. Damit signalisiert sie, dass sie ihn versteht. Sie kämpft nicht gegen seine

Argumente, sondern hört ihm aufmerksam zu. Damit sorgt sie für eine positive Gesprächsstimmung.
 
Außerdem formuliert sie auch hier wieder sehr genau. Sie vermeidet Füllwörter wie „eigentlich“ und sagt, was sie möchte. Nur so wird ihr Chef sie verstehen und, wenn alles gut geht, kooperativ sein.
 
Beachten Sie: Wenn Ihr Chef auf gar keinen Fall delegieren möchte, überzeugen Sie ihn mit den besten Argumenten nicht. Da hilft es nur, das Beste für sich selbst daraus zu machen und Arbeiten vorwegzunehmen. Warten Sie nicht, bis Ihr Chef beispielsweise ein Antwortschreiben formuliert, sondern erledigen Sie das, während er im Meeting ist. Sie können immer etwas tun – Sie dürfen nur nicht Ihre Motivation verlieren.

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